Jedes Gedicht hat eigene Begriffsstutzigkeiten

In einer großen Lyrikbesprechung in der Süddeutschen Zeitung (24.6.24) schreibt Antje Weber u.a. über Karin Fellner und Mira Mann. „Noch radikaler spielt Karin Fellner mit Sprache, erfindet wie schon in früheren Bänden neue Begriffe wir den ‚Wehsalon‘ oder lässt ‚Spuren von *grmbl* und *aargh*‘ und Fremdsprachen durch ihren neuen Band Polle und Fu (…) ziehen. Auch Technik und Wissenschaft haben hier ihre Spuren hinterlassen: ‚Sind wir Stromwandler, Teil eines Strömungsmodells?‘ fragt das Gedicht ‚Buch der Fragen‘, und: ‚Haben Wurmlöcher Haare? / Wann fallen wir / in eins?‘

Mit feinem Humor entwirft Fellner Theorien zum ‚Gedicht als Ohr‘: ‚Deine Aufgabe ist es, / dich selbst aufzugeben / als Rohrpost‘, ist die Variante a. Die Variante b: ‚Jedes Gedicht hat eigene / Begriffstutzigkeiten, um / die Welt zu verklären.‘ Das ist doch mal eine wirklich lustige Art, das Wesen der Lyrik zu beschreiben.

Hinter dem Lachen allerdings ist viel Ernst zu spüren, ja Endzeitstimmung. ‚Was war Wald?‘ heißt ein Gedicht, ein anderes fragt: ‚Werden die Tiere wieder mit uns Tieren reden?‘ (…)

Zum Andern hin – das ist auch der Grundimpuls von Mira Manns neuen Lovesongs (…). Mira Mann, zugleich Musikerin, übertritt auch in ihrem vierten Band ‚bewusst die Grenzen der sogenannten Hoch- und Subkultur‘ (…). Die einfache und repetitive Struktur und Wortwahl mancher Texte erinnert nicht zufällig an Songtexte. ‚Ich entscheide mich für meine Lust / Ich leg mich einfach hin / Sehr mich / Ich leg mich eingfach hin. / Ich vertrau in eure Blicke / Ich leg mich einfach hin‘, so endet zum Beispiel das Gedicht ‚Unter den Linden‘.

Doch nicht nur in solchen Zeilen, sondern auch in einigen kurzen Prosastücken wird deutliuch, worum es Mira Mann geht: um das Thema Sexualität, auch um Gewalt. Um Krankheit, um Mutterschaft und überhaupt immer wieder den Körper. Vor allem aber sind diese Texte die Versuche eines Ichs, sich mit den eigenen Gefühlen wie auch der Welt zu verbinden. (…) ‚Rasend vor Wut, rasend vor Trauer, rasend vor Schmerz.'“

Hinterlasse einen Kommentar