Wörter vibrieren

„Wenn eine Musikerin Lyrik und Prosa schreibt, ist deren ‚Sound‘ womöglich noch wichtiger, wesentlicher als in anderen Fällen“, schreibt Thomas Gross über vibrieren in dem wir von Ann Kathrin Ast im Mannheimer Morgen (5.4.23). Und weiter: „Festlegungen, überhaupt Begrenzungen sind […] Asts Sache nicht: Es geht ihr um Offenheit, Bewegung oder eben ums ‚Vibrieren‘, das schon der Titel sinnfällig macht, indem er es nicht einmal durch einen Artikel näher bestimmt – anders übrigens als das Personalpronomen im Plural, woraus ersichtlich ist, dass es Ast auf das den Zusammenhalt benennende ‚Wir‘ trotz aller Entgrenzung durchaus ankommt.

Von ‚luft‘, ‚licht‘, von ‚wellen‘, ‚körper‘, vom ‚aether‘ ist die Rede. Themen und Bilder der Texte schöpfen nicht zuletzt aus der Natur und ihrer Erforschung, die ebenfalls an kein Ende kommt. Vieles ist doppelsinnig, so die ’strings‘, die ebenso auf ein physikalisches Modell verweisen wie auf die Saiten von Musikinstrumenten, die wiederum in Schwingung und Vibration versetzt werden. Daneben geht es konkret und körperlich zu, geht es um das Verhältnis von Ich und Du, um Lebensanfang und -ende. Eine Parallele von Sprache und Musik ist auch insofern berührt, als hier Pausen, besonders zwischen den einzelnen Versen, von Belang sind und zum Gestaltungsmerkmal werden. […]

Sie wirken nach, wie es ebenso der (musikalische) Nachklang macht. Und eben deshalb lautet der letzte Vers des kleinen, geschmackvoll mit abstrakten Körpern gestalteten Bandes so: ‚ab hier bitte nur singen‘. Es bleibt den Lesern überlassen, darin auch Ironie zu sehen oder eine Anspielung auf Rilkes ‚Sonette an Orpheus‘. Jedenfalls wirken diese Texte anregend und bezeugen eine originäre Sprachlust. Dieses ‚vibrieren im wir‘ steht für eine Lektüre mit eigenem Sound, die sich lohnt.“

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