Adrian Kasnitz: Im Sommer hatte ich eine Umarmung

Mit Im Sommer hatte ich eine Umarmung legt Adrian Kasnitz nach Glückliche Niederlagen (2016) endlich wieder einen größeren Gedichtband vor. Darin fragt er nach den menschlichen und zwischenmenschlichen Dingen, die sich in der krisenreichen Zeit (Klimakatastrophe, Pandemie, Krieg) verkompliziert und verschoben haben. Er versucht Distanzen zu überwinden und probiert Nähen aus. Vermischt sind die tastenden Bewegungen mit Fragen nach der Welt, in der wir leben (möchten), nach Macht und Herkunft: „Mein Vater arbeitete in vielen Fabriken / dieser Stadt. Nie blieb er lange und immer / hielt man ihn für einen Idioten.“

Politische Gedichte finden sich neben Gedichten zur Corona-Zeit und zu den Versuchen, wieder in eine Normalität zu finden:

Im Sommer hatte ich eine Umarmung

ich warne dich, es fühlte sich wie Wind an

es schmeckte leicht, was ich in den Mund nahm

ich schnippte kleine Dinge weg, halb trocken, halb nass

Der Band wird am 13. März im Literaturklub (gemeinsam mit Mira Mann), am 16. März in Berlin (gemeinsam mit Alexander Rudolfi), am 24. März in Hannover (gemeinsam mit Wassiliki Knithaki, Sünje Lewejohann und Alexander Rudolfi), am 25. April in Halle (gemeinsam mit Olav Amende, Christian Kreis und Mira Mann) und am 28. April in Leipzig (bei Books & Beers) vorgestellt. Weitere Termine folgen.

Adrian Kasnitz: Im Sommer hatte ich eine Umarmung. Gedichte, 90 Seiten, Preis: 14,- € – ab sofort lieferbar

Adrian Kasnitz, an der Ostsee geboren, aufgewachsen in den westfälischen Bergen, Studium in Köln und Prag, lebt als Schriftsteller, Herausgeber und Veranstalter in Köln. Von ihm erschienen zuletzt die Gedichtbände Kalendarium #1 bis #8 (parasitenpresse 2015-2022) und Glückliche Niederlagen (Sprungturm 2016), der zweisprachige Prosaband Pierre Huyghe hired me (parasitenpresse 2019) sowie der Roman Bessermann (Launenweber 2017). 2020 wurde er mit dem Dieter-Wellershoff-Stipendium der Stadt Köln ausgezeichnet. Seit 2019 kuratiert er im Team das Europäische Literaturfestival Köln-Kalk (ELK).

Ein schmerzlich aktuelles Buch

„Mit Jelena Jeremejewas Seit September will ich nach Kiew. Ukraine-Tagebuch ist in der parasitenpresse ein schmerzlich aktuelles Buch erschienen, das man lesen sollte. Es sind Tagebucheinträge, beginnend mit dem 16.2., dem Tag an welchem die bereits seit vielen Jahren in Deutschland lebende Ich-Erzählerin zu einem Heimatbesuch in Kiew eintrifft, bis hin zum letzten Eintrag vom 1.5., der mit den Worten ‚Ich habe Angst vorm 9. Mai.‘ endet. Es tut weh, dieses Buch zu lesen, aber gerade deswegen ist es wichtig, es zu lesen. Im vollen Flieger nach Kiew herrscht am 16.2. zwar bereits bedrückte Stimmung, doch die anwesenden deutschen Journalisten haben ’noch zu lachen‘. Erzählt wird von den ersten Einträgen beispielsweise von einem Frisörbesuch und vom gemeinsamen Kochen ukrainischer Spezialitäten mit dem Vater. Unter der Oberfläche ist der drohende Krieg jedoch bereits präsent, auch wenn er von den Anwesenden noch ausgeblendet wird: ‚Es gelingt und ist köstlich!'“, schreibt Astrid Nischkauer in einer Besprechung des Buches in der Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und Widerstands der Theodor-Kramer-Gesellschaft (Wien).

Und weiter: „Es ist beeindruckend, wie differenziert Jelena Jeremejewa so knapp nach den Geschehnissen, die immer noch andauern, über den Krieg schreiben kann, über das, was ihr und anderen widerfahren ist und widerfährt. Bemerkenswert auch das große Verständnis, das die Erzählerin ihren Mitmenschen entgegenbringt – selbst ihrer in Russland lebenden und der dortigen Kriegspropaganda Glauben schenkenden ehemaligen Schulfreundin. Als Ganzes lässt sich der Band als Versuch lesen, nicht direkt vom Krieg Betroffenen verständlich zu machen, was in aus der Ukraine Geflüchteten vorgeht, was sie durchgemacht haben und dass sie vor allem ganz einfach Menschen sind.“

Auf die Sprünge helfen

„Warum möchte die Maus wohl ein Elefant werden? Ist es die Größe? Das Gewicht? Will sie gewichtig werden? Ein Vorbild? Ein Beweis, dass das Unmögliche möglich ist? Glaubt sie wirklich, dass alle anderen Lebewesen das auch wollen? Ein Trinity Krawattenknoten sitzt locker und gilt als elegant. Kann er den Träger oder die Trägerin schützen, wenn es sich um eine Maus handelt?
Das Gedicht lässt viel offen. Wir erfahren nichts von der Verwandlung selbst, aber einiges vom Wunsch. Und die Maus tanzt im Gedicht. Ob die Verwandlung eine Mausefalle ist, sein wird, sein könnte, wissen wir nicht. Aber: Es wird regnen. Der Elefant, so es ihn geben wird, wird im Regen stehen“, schreibt Ilse Kilic über ein Gedicht von Di Lu Galay aus dem Band Ein Oktopus, aber so viele Handschuhe und stellt ihm das Gedicht Schicksal aus dem Band Sid Wischi Waschi von Veronique Homann an die Seite. „Jetzt kann ich mir als Leserin natürlich einige Fragen stellen zur Serendipität und ob sie nicht einfach nur eine Variante des Schicksals darstellt. Das Wort Serendipität ist nur annäherungsmäßig übersetzbar, ich beschreibe es jetzt als den glücklichen Zufall, der quasi die positive Seite des Schicksal sein will, aber das erfasst das Prinzip eben nicht ganz. Serendipität bedeutet nämlich auch, dem Zufall durch Forschen auf die Sprünge geholfen zu haben, aufdass er sich als glücklich erweise. Zum Beispiel, um auf die Maus zurückzukommen, indem sie den goldenen Schlüssel sucht und dabei die ersehnte Kunst erlernt, sich in einen Elefanten zu verwandeln. Kann sein. Suchen ist Bedingung. Versuchen vielleicht auch.“ Den ganzen Beitrag und noch viele mehr findet man in der Reihe Gedichte sind absonderlich und süß auf der Seite des Fröhlichen Wohnzimmers.

Mitschnitt der Wiener Krilit-Lesung

Bei den Kritischen Literaturtagen in Wien (Mai 2022) sind die Lesungen aufgezeichnet worden. Hier kann man die Lesung von Astrid Nischkauer und Adrian Kasnitz mit Texten aus Botswana, Myanmar, Argentinien, Chile, Kolumbien, Lettland und Kosovo, u.a. von Tjawangwa Dema, Di Lu Galay, Pablo Jofré, Catalina Garcés Ruiz, Arvis Viguls, Krisjanis Zelgis, Shpëtim Selmani u.a. Weitere Mitschnitte sind hier zu finden. Zur Reihe IntroVersIon mit lettischen Dichter*innen, von der Astrid im Video spricht, gelangt man hier.

Schließe die Augen

„April 2021 erschien ein Band der Dichterin, Übersetzerin und Kritikerin Astrid Nischkauer, die auch als Aufsicht in den Sammlungen der Wiener Museen tätig ist. Ihr neuer Gedichtband reflektiert Momente zwischen Öffnung und Schliessung der Ausstellungen während des Lockdowns. Nischkauer fehlen die Kunstwerke, die sie sonst während der Arbeitszeiten sehen kann. In einem Text, ohne erkennbare Gliederung in Verse, formuliert sie eine Überlegung dazu, was sich in der Zwischenzeit, in den Mo- naten der Abwesenheit, verändert haben mag: schliesse die Augen um den Bildern im Traum zu begegnen und in Gedanken durch die Säle zu gehen aus denen ich so lange Zeit ausgesperrt gewesen war (…)“, schreibt Nils Röller in seinem Beitrag Dimensionen des Buches: Klein und absolut, der sich u.a. den beiden Bänden du Wundergecko und Satyr mit Thunfisch, aber auch vielen anderen Beispielen widmet. Erschienen ist der Text in: Medialität. Historische Perspektiven. Newsletter Nr. 23/2021 des Zentrums für historische Mediologie, Zürich, S. 36-49. Als pdf hier zu finden.

Lektüre für jeden Flaneur, jede Flaneurin

„Museumsbesuche – reale und imaginierte. Endlich: nach langer Zeit der Distanz sind Museumsbesuche wieder möglich. Aber, Hand auf´s Herz: Wann waren Sie das letzte Mal in einem Museum? Lassen Sie sich von Astrid Nischkauer in die wundersame Welt der Wiener Museen entführen!“, schreibt Cornelia Stahl in ihrer Besprechung des Gedichtbandes du Wundergecko in etcetera (85/2021, St. Pölten). „Der literarischen Einladung dürfen Sie getrost folgen ohne sich im Dschungel der Museumslandschaft zu verirren. (…) Nischkauer gewährt Einblicke ins Innere und Äußere, gibt Kuriositäten preis, die in keinem Museumsführer nachzulesen sind, sondern nur vor Ort seine Beobachter findet. Sie unterteilt ihren Lyrikband in fünf Abschnitte, die als Imperative und einladend wirken: ‚betrachtet die Bilder/ draußen, die Sonne draußen/ komm, komm, komm …/ betrachte die Bäume/ du Wundergecko‘. Eine leichte, zeitlose Lektüre, die jeden Flaneur/jede Flaneurin bei einem Wien-Besuch begleiten sollte. Ob eine Vorliebe für die Ägyptische-Orientalische Sammlung des Kunsthistorischen Museums, die Gemälde im gleichen Haus, die Sammlung alter Musikinstrumente, ob Kunstforum, mumok oder Naturhistorisches Museum: Die Betrachtungen Nischkauers laden ein zu Reflexionen vor Ort. Eine entschleunigende Lektüre, die in Post-Pandemiezeiten Wunder bereithält. Ob das ‚Klavier im Korridor des Staunens, auf dem die Besucher spielen dürfen, wenn sie das wollen‘ (S. 25) noch immer an seinem Platz steht, muss der Lesende selbst herausfinden.“

Das Gedicht ist ein Schlachtfeld

Unsere von Beatrice Cordier und Laurine Irmer herausgegebene portugiesische Anthologie Wie man ein Wunder löscht empfiehlt Erwin Uhrmann im Spectrum, der Literaturbeilage von Die Presse (Wien). „Vor allem die momentane Beschaffenheit der Gesellschaft ist dabei ein wichtiges Thema“, schreibt er und zitiert ein Gedicht von Francisca Camelo: „trägt man / in einer Demonstration gegen den Femizid / die gleiche Maske / wie an einem glücklichen Tag?“

Poesie der musealen Kunst

du Wundergecko von Astrid Nischkauer läuft heute Abend in der Sendung Nachtbilder bei Ö1 (22:30 Uhr). Auf einen Spaziergang durch die Wiener Museen nimmt uns die Dichterin in ihrem neuen Gedichtband mit. Ähnlich wie in ihrem letzten Gedichtband Satyr mit Thunfisch beschreibt sie Kunstwerke, die sie als Besucherin oder Museumswärterin betrachtet, kleine Details und die Atmosphäre in den verschiedenen Museen und Räumen. Es liest Runa Schymanski. Mit Musik von Gloria Damijan und Herbert Lacina. Die Sendung ist dann eine Woche lang nachzuhören (ab Min. 37:19).

Wie man ein Wunder löscht. Neue Gedichte aus Portugal

Die Anthologie Wie man ein Wunder löscht stellt neue Gedichte aus Portugal vor, die Beatrice Cordier und Laurine Irmer ausgewählt und übersetzt haben. „Mit den Gedichten der acht Lyriker:innen möchten wir vor Augen führen, wie kulturell und politisch divers die portugiesische Gegenwartslyrik ist. In einer Poesie zwischen Alltag und Mythos wird in diesen Gedichten von kleinen und großen Themen erzählt, von Politik und Zukunft, von Nähe und Fernweh, aber auch von der Kunst, Kritik zu üben.

Mit viel Humor, aber auch mit einer Spur von Pathos, gehen die Poet:innen den portugiesische Konventionen und Lebensweisen nach, indem sie sie in ihren Sprachspielen gleichermaßen auf die Probe stellen. Die Motive der Kolonialgeschichte, des Katholizismus, der konventionellen Geschlechterrollen, aber auch des Tourismus, des Klimawandels und der Wirtschaftskrise kollidieren in diesen bildreichen Poesien und werden gleichermaßen kritisch unter die Lupe genommen.

Ein wiederkehrendes Moment stellt die Reise dar. Es wird von ihr und dem Leben im Ausland gesprochen, aber auch über ein Reisen durch die Zeit, wie es die Aufarbeitung der kolonialen Praktiken und Hinterlassenschaften der portugiesischer Kolonialherrschaft bedeutet. Gewiss enthält die Kunst des Übersetzens die Kunst der Reise. Dazu gehören nicht nur große Entfernungen, wie man sie zwischen Ländern oder Sprachen zurücklegt, sondern auch kleinere Etappen, wie es Übersetzungsvorgänge von Dialekten – des portugiesischen und brasilianischen – oder von Redewendungen mit sich bringen“, schreiben die Herausgeberinnen im Nachwort.

Der Band enthält übersetzte Gedichte von Basco, Francisca Camelo, Gisela Casimiro, Sara F. Costa, Patrícia Lino, Cláudia Lucas Chéu, Rafael Mantovani und Inês Morão Dias mit je einem Originaltext und Zeichnungen von Dmitry Ilko.

Erstmals vorgestellt wird Wie man ein Wunder löscht beim Europäischen Literaturfestival in Köln-Kalk (3.-5. September 2021), bei dem Gisela Casimiro zu Gast ist.

Wie man ein Wunder löscht. Neue Gedichte aus Portugal, herausgegeben und aus dem Portugiesischen übersetzt von Beatrice Cordier und Laurine Irmer, 90 Seiten, Preis: 12,- € – ab sofort lieferbar