María Mercedes Carranza: Der Gesang der Fliegen

In ihrem Gedichtband Der Gesang der Fliegen aus dem Jahr 1998 entwirft die 2003 verstorbene kolumbianische Lyrikerin María Mercedes Carranza eine Topografie der Gewalt und des Grauens. Dieses Buch präsentiert die Gedichte erstmals in deutscher Übersetzung und lädt zur Beschäftigung mit dem Werk der Autorin ein. Darüber hinaus stellt er den gleichnamigen Animationsfilm vor, der von neun kolumbianischen Filmemacherinnen geschaffen wurde. Er erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen.

Am 15. Juni stellen die Herausgeber:innen den Band und den Film in der LiteraturEtage Weimar vor.

Gesang 1 / Canto 1

Necoclí

                      Und dann,
in einer Weile,
wenn es ganz dunkel ist oder im Morgengrauen,
               wird in Necoclí
nichts weiter zu hören sein als
der Gesang der Fliegen.

                  Quizás
el próximo instante
de noche tarde o mañana
                  en Necoclí
se oirá nada más
el canto de las moscas.

María Mercedes Carranza: Der Gesang der Fliegen / El canto de las moscas. Gedichtband und Buch zum Film, hg. v. Ana María Vallejo und Guido Naschert. Mit Übersetzungen von Rike Bolte, Guido Naschert, Anne Rudolph und Peter Schultze-Kraft und Essays von Fernando Garavito und Andrea Garcés Farfán, 110 S., 14,- € (Sonderausgabe) – sofort lieferbar

María Mercedes Carranza wurde 1945 in Bogotá geboren, in derselben Stadt, in der sie ihrem Leben 2003 ein Ende setzte. Gefördert von ihrem Vater, dem Dichter Eduardo Carranza und seinen Freunden kam sie zur Poesie. Sie verbrachte ihre frühe Kindheit in Spanien und kehrte im Alter von dreizehn Jahren nach Kolumbien zurück. Nach dem Universitätsstudium der Philosophie und Literatur debütierte sie 1972 mit ihrem ersten Gedichtband. Später leitete Carranza sechzehn Jahre lang als Direktorin das Casa de Poesía Silva, den wichtigsten Ort für Lyrik in Bogotá, den sie selbst mitbegründet hat. Außerdem war sie 1991 Mitglied der Nationalen Konstituierenden Versammlung und somit an der Ausarbeitung der neuen kolumbianischen Verfassung beteiligt.

Jelena Jeremejewa: Seit September will ich nach Kiew

Die Berliner Filmemacherin und Autorin Jelena Jeremejewa war zu Kriegsbeginn bei ihrer Familie in Kiew. In ihrem Tagebuch Seit September will ich nach Kiew berichtet sie von den ersten Tagen des Krieges, von ihrer Flucht und den Gedanken und Ängsten, die sie, ihre Familie und ihre Freunde haben. Sie weiß von den unterschiedlichen Perspektiven, mit denen Deutsche und Ukrainer auf das Kriegsgeschehen sehen, und versucht, die ukrainische Sichtweise zu vermitteln. Das Tagebuch umfasst den Zeitraum von Mitte Februar bis Anfang Mai.

Auszug: „16.2. Seit September will ich nach Kiew. Zu meinem Vater und meinen Freunden. Dauernd hinderte mich etwas. Abgaben, Herbstferien, Beziehungsarbeit und Sorgearbeit, einfach Arbeit, deutsche Weihnachten, Silvester, mein 40. Geburtstag, zuletzt Omikron. Am 16. Februar bin ich endlich soweit. Endlich nach Hause. Im vollen Flieger bedrückte Stimmung, deutsche Journalisten, die noch zu lachen haben und sich über überaus leckeres und unbeschreiblich günstiges Sushi in Kiew austauschen. Mein Bruder holt mich am Flughafen ab, ich atme die vertraute Februar Luft, frisch und voller Abgase, die Sprache umhüllt mich und wiegt mich in Sicherheit. Menschen freuen sich auf ihre Freunde und Angehörigen, die sie in Empfang nehmen, Blumen, Namensschilder, Taxirufe. Alles steht, alles fährt, Stau, bis wir über den Dnjepr sind – alles noch da, alles wie immer. Herkunft.“

Die Autorin wird das Buch erstmals beim Europäischen Literaturfestival in Köln (2.-4. September) vorstellen. Eine englischsprachige Ausgabe ist in Vorbereitung.

Jelena Jeremejewa: Seit September will ich nach Kiew. Ukraine-Tagebuch, 68 Seiten, Preis: 12,- € (Reihe paradosis)

Jelena Jeremejewa ist eine Künstlerin, Autorin und Regisseurin für Dokumentarfilm. In ihren Filmen „Der Ernst des Lebens“ (SWR) und „Irgendwo dazwischen“ (WDR) thematisierte sie Fragen der systemischen Bildungsungerechtigkeit und Chancenungleichheit unter Jugendlichen mit Migrationserfahrung. Ihre Arbeitsfelder sind mit ihrer Herkunftsgeschichte verbunden – heute führt sie in Kooperation mit verschiedenen Trägern Filmworkshops an Schulen durch, die die Kinder neben Antisemitismus und Rassismus auch für die radikale Vielfalt sensibilisieren sollen.

Zuletzt publizierte sie zu divergierenden Erinnerungsnarrativen innerhalb der heterogenen jüdischen Gemeinschaft in „Neues Judentum – altes Erinnern?“ Aktuelle Arbeiten bewegen sich an der Schnittstelle zwischen Forschung und Kunst und thematisieren die Fragen der Wirkungsmacht von kontrafaktischen historischen Narrativen innerhalb von postsozialistischen Kulturen Osteuropas.

Ihre Promotion an der Bauhaus-Universität Weimar über die Unsichtbarkeit des Traumas als Individual- und Kollektiverfahrung im russischen Dokumentarfilm der 90er – 2000er Jahre hat sie 2019 abgeschlossen. Sie lehrt dokumentarische Filmpraxis an der Bauhaus Universität Weimar und an der Hochschule Darmstadt.

Karin Fellner erhält Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung

Die Autorin, Übersetzerin und freie Lektorin Karin Fellner erhält eine Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung, nämlich die Christian Ferber-Ehrengabe. Die Ehrengaben sind jeweils mit 7.500 Euro dotiert. Die Verleihung der Preise findet im November 2021 im Deutschen Literaturarchiv Marbach statt. Neben Fellner werden auch Dagmara Kraus und André Schinkel geehrt.

Wir gratulieren herzlich und freuen uns mit ihr!

Karin Fellner wurde 1970 in München geboren. Sie studierte Literaturwissenschaften. Sie arbeitet als freiberufliche Schriftstellerin und Lektorin. Seit 1999 ist sie auch als Schreibcoach tätig. Für ihren Zyklus futter erhielt sie 2005 den Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis. 2019 erschien der Lyrikband eins: zum andern. Zuvor erschienen die Bände Ohne Kosmonautenanzug und Avantgarde des Schocks bei uns.

Eleonore Schönmaier: Wellenlängen deines Liedes

Die Gedichte der kanadischen Dichterin Eleonore Schönmaier aus dem Band Wellenlängen deines Liedes sind in der nordkanadischen, post-industriellen Landschaft der borealen Wälder angesiedelt. Sie ziehen eine Spur von dort in die urbane Welt der Exilanten, der Kunst, Musik, Literatur und Wissenschaft und wagen den Sprung über den Atlantik nach Europa. Wie Kettenglieder fügt sich ein Gedicht zum anderen. Das folgende Gedicht ist immer eine Antwort auf das vorherige und ein Weiterschreiten auf einem langen, musikalisch-poetischen Weg. „Das Fließende innerhalb der Gedichte spiegelt sich in ihrer feinsinnigen Anordnung. Die Wirkung gleicht der einer Symphonie mit verwobenen und subtil variierten musikalischen Motiven, und wie bei einer Symphonie entsteht so ein komplexer Zusammenklang.“ (Arc Poetry Magazine)

Die Übersetzung von Wavelenghts of your song ins Deutsche hat Knut Birkholz besorgt. Mit dem umfangreichen Gedichtband veröffentlichen wir als Verlag zum ersten Mal einen Titel aus Nordamerika, aus Kanada, dem Gastland der Frankfurter Buchmesse 2020 bzw. 2021. Eleonore Schönmaier wird am 4.-6. September 2020 beim Europäischen Literaturfestival in Köln und voraussichtlich am 15. Oktober 2020 bei der Buchmesse in Frankfurt lesen.

Eleonore Schönmaier: Wellenlängen deines Liedes. Gedichte aus dem Englischen von Knut Birkholz, 166 Seiten, Preis: 15,- € – ist ab sofort lieferbar

Eleonore Schönmaier, geboren und aufgewachsen in einer abge­legenen Siedlung Nordkanadas, lebt sie heute teils an der kana­dischen Atlantikküste, teils an der niederländischen Nordseeküste. Sie ist die Autorin von drei von der Kritik gefeierten Gedichtsamm­lungen, erschienen bei McGill­Queen’s University Press, wo im Jahr 2021 ihr vierter Band, Field Guide to the Lost Flower of Crete, erscheinen wird. Sie hat namhafte Literaturpreise gewonnen, da­runter den Alfred G. Bailey Prize, den Earle Birney Prize, den National Broadsheet Contest und den Sheldon Currie Fiction Prize. Ihre Gedichte wurden von griechischen, niederländischen, schottischen, amerikani­schen und kanadischen Komponisten vertont. Ihre Lyrik wurde in vielen Anthologien in Kanada und den Vereinigten Staaten und zu­ dem in Best Canadian Poetry veröffentlicht.

Knut Birkholz ist Autor, Übersetzer und Kurator. Er hat in den Be­reichen Ausstellungskuration, Architekturjournalismus und Kunst­kritik gearbeitet, seine nichtliterarischen Texte wurden in Ausstel­lungskatalogen, Architekturzeitschriften und Kunstausstellungen veröffentlicht. Im Jahr 2007 wurde er für den Literaturpreis Open Mike nominiert. Er hat bislang drei Romane geschrieben und litera­rische Arbeiten in Anthologien, Literaturmagazinen und Kunstaus­stellungen publiziert. Seit 2017 initiiert er Erstübersetzungen von Lyrik, Drama und Prosa aus dem Niederländischen und Englischen ins Deutsche. Seit 2018 ist er Kurator des internationalen Atelier­programms IAP Weimar, seit 2019 Kurator der Kunstinitiative Manifold Books Amsterdam. Geboren und aufgewachsen in der DDR, lebt er seit bald zwanzig Jahren in den Niederlanden