Alle Dunkelheiten beim Namen nennend

Im St. Galler Tagblatt empfiehlt Nora Gomringer die idiotische wucht deiner wimpern: „Eigentümlich, aber die Texte dieser verwegenen und mutigen Dichterin sind für mich echte Favoriten. Sünje Lewejohann ist nicht verschwiegen und nicht schwatzhaft im Ton, manchmal wirkt sie auf mich wie ein plauderndes Kind, mitteilsam und unverstellt, alle Dunkelheiten beim Namen nennend. Dass wir Leser an bestimmten Stellen in ihren Texten erstarren, mitleiden, uns aufzulösen drohen, das ist Lewejohanns Kalkül, das aus Versprechen besteht, die sich erfüllen, denn sie ist ein ‚Wetter, das umschlägt‘, und damit behält sie die Kontrolle über ihr poetisches Spiel. Es ist kompliziert, zu beschreiben, was sie da macht und wie sie es schafft, aber ich werde nicht müde, sie zu lesen, und das will etwas heissen bei Lyrik.“ Alle Empfehlungen findet man hier

Cover Lewejohann

Andre Rudolph: Ich bin für Frieden, Armut und Polyamorie – welche Partei soll ich wählen?

„hallo!“, sagt das Ich in Ich bin für Frieden, Armut und Polyamorie – welche Partei soll ich wählen?, meldet sich zurück, sagt es mehrmals und bittet um Aufmerksamkeit. Die neuen Gedichte des mehrfach ausgezeichneten Dichters Andre Rudolph handeln von der Sinnsuche in einer unsicher gewordenen Welt, in der der Kapitalismus noch einmal versucht, die letzten Reserven aus Natur, Mensch und Welt herauszupressen. Wo steht da der Einzelne? Wie kann er neu beginnen, wenn er schon gescheitert ist? Gibt es Frieden? Ist Liebe möglich? Schließen sich Armut und Glück aus oder bedingen sie sich erst? Immer balancieren die Gedichte zwischen ironischem Spiel, Zynismus, Witz und Menschenfreundlichkeit, springen von Wort zu Wort, hangeln sich an einzelnen Silben, bis sie neu aufgetrennt und zusammengesetzt werden. Das Spiel ist kein Selbstzweck sondern Rettungsstrategie.

Andre Rudolph: Ich bin für Frieden, Armut und Polyamorie – welche Partei soll ich wählen? Gedichte, 94 Seiten, Preis: 12,- € – ab sofort lieferbar

Cover Rudolph kladde

Andre Rudolph, geb. 1975 in Warschau, aufgewachsen in Leipzig. Zwischen 2009 und 2015 erschienen drei Gedichtbände von ihm im Luxbooks-Verlag (Wiesbaden). Lebt in Caputh am Schwielowsee.

Unerhörte Verästelungen

„Die Vielschichtigkeit lädt ein zu wiederholter Lektüre, zur Freude daran, sich hineinnehmen zu lassen in unerhörte Laut- und Sachverästelungen oder ungewohnte grafische Gliederungen. Es wird gehüpft und die schsch bra-brach-e zerteilt, es wird oft an- und hintergefragt und laut gerufen“, schreibt Vera Schindler-Wunderlich in einer Besprechung von Karin Fellners eins: zum andern in der Schweizer Literaturzeitschrift Orte. Und weiter: „vielmehr zeigt die Dichterin, wie viele verrückte Ordnungs-Spiel-Möglichkeiten die Welt hat und wie diese zusammengebracht werden können“.

Die ganze Besprechung ist hier nachzulesen: Orte_Schindler_Okt.2019.

Cover Fellner eins

 

Danae Sioziou: Nützliche Kinderspiele

Einer unbegreiflichen und verwirrenden Erwachsenenwelt stellt die griechische Dichterin Danae Sioziou ihre eigene Spielewelt gegenüber. Dabei zeigt sie das Spiel als den ewigen Versuch, Ordnung im Chaos zu schaffen, als Mittel der Selbsterkenntnis und damit als nützliche Kulturpraxis. In den Welten, die sie arrangiert, ziehen Spielsachen, Tiere, Pflanzen, Haushaltsgegenstände, Eltern, Großeltern, Gouvernanten und Lehrer, Märchenfiguren und übernatürliche Wesen umher – und werfen Fragen nach der Widersprüchlichkeit des Lebens auf. Es ist eine Traum- und Albtraumwelt zugleich, voller Vorstellungskraft und Wunder, voller Bedrohungen und Hindernisse, in denen Wunden, Ängste und Verdrängungen als Sensoren der Suche und Orientierung fungieren.

Danae Sioziou ist Gast beim Europäischen Literaturfestival Köln-Kalk am 6.-8. September 2019.

Danae Sioziou: Nützliche Kinderspiele. Gedichte aus dem Griechischen von Elena Pallantza und der Gruppe LEXIS, 62 Seiten, Preis: 10,- € – ab sofort lieferbar

Cover Sioziou

Danae Sioziou, 1987 geboren, aufgewachsen in Karlsruhe und in Karditsa (Thessalien / Griechenland), lebt in Athen. Sie studierte Anglistik, Europäische Geschichte und Kulturmanagement in Athen und Berlin. Für ihren ersten Gedichtband Nützliche Kinderspiele (erschienen im Verlag Antipodes) erhielt sie den Staatspreis für Junge Autor*innen und den Jannis-Varveris-Preis der Hellenic Authors Society. 

Elena Pallantza, 1969 in Athen geboren, unterrichtet Neugriechische Sprache und Literatur an der Universität Bonn. Mit der Gruppe LEXIS (Andreas Gamst, Anne Gaßeling, Rainer Maria Gassen, Milena Hienz de Albentiis, Christiane Horstkötter-Brüssow, Klaus Kramp, Alkinoi Obernesser) übersetzt sie neugriechische Literatur ins Deutsche.

Kinga Tóth: Party

„In diesem kleinen Horrorbuch habe ich über viele Tabus in meinem Land geschrieben: über die Probleme von Queers, über Rassismus. All das, worüber man nicht sprechen kann oder soll. Problematisch ist aber auch, dass man in Ungarn derzeit nicht genau weiß, wann man ein Tabu angreift, weil die Regeln sich immer verändern – wie in meinem Buch. Party handelt von einer Welt, in der die Regeln sich immer wieder verschieben und man nie weiß, ob man der Spielleiter oder nur ein Mitspieler, Gewinner oder Verlierer ist“, schreibt Kinga Tóth über ihr neues Buch.

Die illustrierte Sammlung basiert auf Kinderreimen, die Kinga Tóth sich aneignet, indem sie sie verzerrt und verkehrt. Ein wiederkehrendes Element darin ist der Bezug zur Tierwelt, vor allem zu Nutztieren der Landwirtschaft. Im Zusammenhang mit den übergreifenden Themen Gewalt und Macht im Spiel, die Party insgesamt durchdringen, wird aus dem Schwein ein Symbol gesellschaftlicher Strukturen. Die landwirtschaftliche Tradition zählt neben der christlichen zu den wichtigsten Grundfesten der nationalen und kulturellen Identität Ungarns. Heute erfolgt ihre Repräsentation häufig im Sinne einer Romantisierung: das Land als Idyll, Zuflucht und Kern eines bodenständigen, autonomen Daseins. Gegenwärtig schlägt aber die wirtschaftliche Notlage der ungarischen Nation vor allem in den ländlichen Gegenden zu Buche. Fremdenhass, insbesondere der Antiziganismus, und ein Traditionalismus, der zum Nationalismus tendiert, florieren.
Kinga Tóth: Party. Gedichte und Zeichnungen, 60 S., Preis: 10,- € – ist ab sofort lieferbar
Cover Tóth Party
Kinga Tóth, geb. 1983, lebt in Ungarn und Deutschland. Sie ist Sprachwissenschaftlerin, (Klang-)Poet-Illustratorin und Kulturmanagerin. Ihre Texte inszeniert sie als Performance und mit Installationen. Preise und Stipendien: Iowa Writer Academy, LCB, Bosch-Wimmelforschung, Solitude Akademie, Havirov, Visegrad-Bratislava, Eduard-Rosenthal-Stipendium, GEDOK, Hazai-Attila-Preis für Literatur. Zu ihren Publikationen zählen Gedichtbände (auf Ungarisch, Deutsch und Englisch) mit Illustrationen: Zsúr (Party, Prae, 2013), ALL MACHINE/Allmaschine (Akademie Schloss Solitude, Magvet), Village 024 (Melting Books), Mondgesichter (Magvet, 2017), Flugschrift-Sprachbau (2018). In der parasitenpresse erschien Wir bauen eine Stadt (2016). Zur Zeit ist sie Stadtschreiberin in Graz und arbeitet an neuen Text-Klangprojekten.

Alles-wird-gut-Mann

„Lasters Texte klingen nach Spiel, das fällt den Klappentextern, Laudatoren (…) verlässlich ein, ein Hang ins Surreale, das mich das Büchlein im Regal neben ‚Hund und Mond‘ von Matthew Sweeney stellen ließe, wenn nicht die Kölner parasitenbände ihre Verwandtschaftsrechte durchsetzen“, schreibt Franz Hofner in einer Besprechung für Fixpoetry von Ruth Lasters‘ Lichtmesser. Und weiter: „Das beginnt bei den allerersten Worten des Buchs mit dem Spott über den ‚Alles-Wird-Gut-Mann‘, der täglich aufgezogen werden muss (sonst droht die Arbeitspflicht am Alles-Wird-Besser-Mann) und endet nicht bei der Reihung der vergangenen Liebhaber in der Lang-Badewanne, wo jeder dem Vorgänger den Rücken zu waschen hat.“

Cover Lasters