Schatzkammern

Die „Grundkonstanten der Wahrnehmung bildender Kunst macht Astrid Nischkauer in ihrem Gedichtband du Wundergecko sichtbar. Die Autorin präsentiert über 90 Miniaturen, von denen ein Großteil der Texte sich je einem Kunstwerk widmet – unterbrochen nur von einem kurzen Zyklus, der während des Lockdowns entstanden ist und sich mit Naturwahrnehmung/ Naturbetrachtung befasst. Die Objekte werden in wenigen Sätzen so beschrieben, dass sie vorstellbar werden, die Lesenden ein Bild davon entwickeln können. Die Deskription der Ausstellungsstücke ist schlicht, nahezu ohne Verwendung rhetorischer Mittel, nah an der Prosa unter Verzicht auf den Lesefluss bremsende Satzzeichen. Ebenso wie die Augen der Museumsbesucher bei der Betrachtung über ein Gemälde oder eine Skulptur mäandern, wandern die Augen der Lesenden über die hypotaktischen Sätze und Enjambements Nischkauers hinweg. Dabei entsteht der Eindruck, dass die Gedichte aufgrund ihrer Kürze und ihres Zeilenbruchs durch den weiß verbleibenden Teil der Seite gerahmt sind. Sie verkörpern Sprache, herausgelöst aus der Zeit und dem Raum“, schreibt Andreas Hutt in einer Besprechung des Bandes im Signaturen-Magazin. „Was du Wundergecko von Astrid Nischkauer lesenswert macht, (…) [ist] das Konzept des Bandes, die Betrachtung bildender Kunst lyrisch fruchtbar zu machen, indem man Museumsbesuche sprachlich abbildet. So schreiten die Lesenden im ‚Wundergecko‘ von Gedicht zu Gedicht wie ein Museumsbesucher von Bild zu Bild schreitet.“ 

Bilder und Kippbilder

„Ein Buch über Bilder und ihre Wahrnehmung: Wie lesen wir in Bildern? Was finden, was entdecken, was sehen wir in ihnen? Von John Berger haben wir gelernt, wie und was wir aus unserem Blick auf Bilder erfahren  können. Nischkauers scheinbar kleines, scheinbar beiläufiges Buch zu rezipieren, kann einem weiter die Augen öffnen – mal für das Ganze, mal die Situationen, mal die Details. Immer aber ist es das Figurative, das sich in den Text überträgt, selbst in der Abstraktion wird das Atmosphärische, die Komposition spürbar, fließend zusammengesetzt zu einer Satz-Miniatur“, schreibt Martin Kubaczek in einer ausführlichen Besprechung des Gedichtbandes Satyr mit Thunfisch von Astrid Nischkauer für den Blog der Poesiegalerie. Und weiter: „Die Gedichte erweisen sich als kleine geometrische Figur oder als Gebärde, sind in sich kohärent als stimmiger Ausgang und situativer Reflex. Sie bleiben wach und aufmerksam, überraschen immer wieder in neuer Weise, nichts wiederholt sich, es gibt keine Redundanzen, die Gedichte sind effektiv und ökonomisch gestaltet, „schlenkern“ nicht (wie das in Walter Benjamins kurzem Text „Gut schreiben“ heißt), sondern führen direkt zum Punkt dessen, was sie sagen oder zeigen wollen, sind punktgenauen Ziellandungen: sie dauern bloß ein paar Sekunden vom Absprung bis zur Landung, und öffnen sich mit einem kleinen Ruck, der uns auffängt, schaukelnd und schützend trägt, sicher absetzt und entlässt. Dann schaut man nochmals hinauf an den Beginn, und sieht, wie bewusst hier alles in seine Gestalt gebracht ist.“

Der zweite Band mit Wiener Museumsgedichten, du Wundergecko, ist gerade ebenfalls bei uns erschienen.

Astrid Nischkauer: du Wundergecko

Auf einen Spaziergang durch die Wiener Museen nimmt uns die Dichterin Astrid Nischkauer in ihrem neuen Gedichtband du Wundergecko mit. Ähnlich wie in ihrem letzten Gedichtband Satyr mit Thunfisch beschreibt sie Kunstwerke, die sie als Besucherin oder Museumswärterin betrachtet, kleine Details und die Atmosphäre in den verschiedenen Museen und Räumen. Anders als zuvor bewegt sie sich aber jetzt, in der Zeit von Corona, in den Museen und bleibt beim Lockdown wie viele Museumsbesucher*innen ausgesperrt. Diese eigentümliche Zeit der Museen ohne Besucher:innen beschreibt dieser Band ebenfalls. Immer steht aber die Lust an der Kunst im Vordergrund, bei Mark Rothko, Unica Zürn oder vielen anderen Künstler*innen. Immer lösen Bilder Gedichte aus, die neue Bilder entstehen lassen.

„Die Beschriftung des Gemäldes / befindet sich in Vorbereitung. // Wir bitten um Verständnis.“

Astrid Nischkauer: du Wundergecko. Gedichte, 102 S., Preis: 14,- € – ist ab sofort lieferbar

Astrid Nischkauer, geb. 1989, studierte Germanistik und Komparatistik. In der parasitenpresse erschienen bereits: frisch gepresste Parasiten (2015), Poesie passieren & passieren lassen (2016) und Satyr mit Thunfisch (2018). Übersetzungsbegeistert, zuletzt Arvis Viguls: Die Handschrift einer Nadel (parasitenpresse 2019). Andrea Fontán: Blütenblätter zwischen den Fingern | pétalos entre los dedos und Olalla Castro: Wir Frauen, im Hinterhof eines sehr großen Hauses / Nosotras, en el patio de atrás de una casa muy grande (beide hochroth Heidelberg, 2020). War als Rezensentin auch Redaktionsmitglied von fixpoetry.com und Herausgeberin der Literarischen Selbstgespräche. Lebt zwischen Bücherbergen und in Wien.

Das Unbelebte eines gemalten Augenblicks

„Nischkauers Verse sind Kommentare, Interpretationen, Beschreibungen, Beobachtungen, Ausformungen, Durchdenkungen, Rückbezüge, Anreicherungen. Sie spürt der Frage nach, wie die Welt der Ausstellungsstücke und die Welt der Menschen sich gegenüberstehen, wo ihre Schnittstellen sind und warum das Unbelebte eines gemalten Augenblicks, eines ausgestellten Gegenstandes, unsere Fantasie und unser Lebensgefühl doch erreicht, obgleich es statisch ist, nicht auf uns zukommt; wir müssen den ganzen Weg gehen, aber ist nicht gerade das das Besondere?“ schreibt Timo Brandt in einer Besprechung für das Signaturen-Magazin über Satyr mit Thunfisch von Astrid Nischkauer.

A8B36145-B3D9-459F-AEF8-B29B0FD9F480

 

Astrid Nischkauer: Satyr mit Thunfisch

In ihrem ersten großen Gedichtband Satyr mit Thunfisch entführt uns die Wiener Dichterin Astrid Nischkauer in die Museen der Stadt Wien. In ihren Texten beschreibt sie die Museen, die Kunst darin und die Atmosphäre, wenn man lange und geduldig durch die Museen wandelt. Ihre Expertise hat sie als eifrige Museumsgängerin und Museumswärterin erworben. Stunden hat sie in abgedunkelten Räumen zugebracht und den Museumsbesuchern beim Betrachten zugesehen. „Vorsicht / Stolpergefahr / ist das Kunst / oder darf ich / da drüberklettern“, heißt es an einer Stelle. Den Zugang und Umgang mit Kunst reflektieren, möchte dieser Band.

Astrid Nischkauer: Satyr mit Thunfisch. Gedichte, 90 Seiten, Preis: 12,- € – ist ab sofort lieferbar

A8B36145-B3D9-459F-AEF8-B29B0FD9F480

Astrid Nischkauer, geb. 1989, studierte Germanistik und Komparatistik. In der parasitenpresse erschienen bereits: frisch gepresste Parasiten (2015) und Poesie passieren & passieren lassen (2016). Übersetzungen, zuletzt Hadaa Sendoo: Sich zuhause fühlen (Pop 2018) und in Kürze Arvis Viguls: Die Handschrift einer Nadel (parasitenpresse, Winter 2018/19). Rezensionen und Literarische Selbstgespräche für fixpoetry.com. Lebt zwischen Büchernergen und in Wien.