Ondřej Macl: Liebe Babička

Mit Verweisen auf Antike und Religion hinterfragt und verortet der tschechische Schriftsteller Ondřej Macl die Rollen (s)einer Großmutter (und Mutter) im Spannungsfeld von Tradition und Jugendkult, Mythos und Alltag, Geschichte, Patriarchat und Feminismus. Macls vielschichtiges „Liebeslied gegen die Jugend“ – und für das Alter – präsentiert sich als lyrischer Essay mit kunstvoller Komik und entmystifiziert so manche Mythen – auch den Tod.

In Deutsche gebracht hat den Text die in Prag lebende Übersetzerin Julia Miesenböck. Ondřej Macl wird erstmals am 21. Mai in München bei Sense of Place im Caritas Alten- und Service-Zentrum Pasing aus dem Buch lesen.

Ondřej Macl: Liebe Babička. Aus dem Tschechischen von Juila Miesenböck, 96 S., Preis: 14,- € (Reihe PLÜ) – ab sofort lieferbar

Ondřej Macl, geb. 1989 in Hradec Králové, damals Tschechoslowakei, ist Schriftsteller, Performer und Sozialarbeiter. Für seine literarische Collage Liebe Babička erhielt er 2018 den Jiří-Orten-Preis für junge tschechische Schriftsteller*innen. Das Buch ist eine künstlerische Fortsetzung seiner Magisterarbeit über Variationen des Eros in der europäischen Literaturgeschichte. Es folgten eine Gedichtsammlung, eine Novelle über die EU und die Jugend sowie ein Storchen-Epos über den ehemaligen tschechischen Premier und Großindustriellen. Der Autor lebt heute in Prag und widmet sich neben dem Schreiben auch dem Kabarett und verschiedenen Happenings im öffentlichen Raum. Darüber hinaus ist er als Redakteur für eine tschechische Literaturzeitschrift tätig und arbeitet an einer literaturwissenschaftlichen Dissertation zum Thema „Böhmen am Meer“.

Julia Miesenböck, geb. 1985 in Freistadt, Oberösterreich, ist Übersetzerin, Literaturwissenschaftlerin und Bohemistin. Nach dem Studium der Komparatistik und Slavistik in Wien und Prag war sie einige Jahre als Lektorin für Deutsch in Krakau und Prag tätig. Seit 2018 publiziert sie literarische Übersetzungen aus dem Tschechischen ins Deutsche und gelegentlich eigene literarische Texte auf Tschechisch und Deutsch. Außerdem arbeitet sie an einer Dissertation zum Literaturtransfer aus dem Tschechischen ins Deutsche zur Zeit des Kalten Krieges.

Ein Schelmenroman im Metalhead-Milieu

In einer Besprechnung neuer lettischer Literatur in der FAZ (vom 09.02.23) schreibt Jan Brachmann über Jelgava 94 von Jānis Joņevs: „Man kann sich keinen größeren Kontrast dazu vorstellen als den Jugendroman Jelgava 94 (…), der 2013 entstand und jetzt bei der Kölner Parasitenpresse in der (…) pointierten wie herzerwärmenden Übersetzung von Bettina Bergmann auf Deutsch herausgekommen ist. er erzählt vom Leben in der lettischen Provinz drei Jahre nach der wiedererlangten Unabhängigkeit von der Sowjetunion aus der Sicht eines halbwüchsigen Schülers, der zur Zeit des Freiheitskampfes seiner Eltern noch zu klein gewesen war, um die große Wirklichkeit zu begreifen, und jetzt mit Bandenkriminalität, Drogenhandel und Metal-Szene einer Welt ausgesetzt ist, die auch seine Eltern überfordert. Auf das ‚auch‘ kommt es an, denn der Ich-Erzähler selbst stolpert ziemlich unbeholfen durchs Leben und sieht sich – aus dem schreiberischen Abstand von fast zwanzig Jahren – mit gutmütiger Selbstironie dabei zu. Es fallen großartige Sätze wie: ‚Ich mochte ja alte Musik jeder Art ausgesprochen gern. Zum Beispiel die Beatles.‘ Und die Einführung des neuen Fachs Sexualkunde in einer sowjetisch geprägten, völlig unterleibsverklemmten Schule ist von tränentreibender Komik. Man könnte Jelgava 94 einen Schelmenroman nennen, nur ist nicht der schüchterne, dünnhäutige Held in seiner Hilflosigkeit der Schelm, sondern der Autor, der aus diesem Helden erwuchs.“

Und zu unserem verlegerischen Tun schreibt Brachmann an anderer Stelle: „Dass in letzter Zeit gleich mehrere Verlage lettische Bücher ins Deutsche übersetzen ließen, zeugt von sympathischem Mut und aufrichtigem Interesse am Baltikum.“

P.S. (24.02.23): Den ganzen Beitrag gibt es jetzt auch online.