Ob Jelgava oder Ostwestfalen

Jelgava 94 ist ein vorbildlicher Coming-of-Age-Roman, einer, der die Leere und Orientierungslosigkeit der Jugend in prägnanten Szenen und stimmigen Dialogen virtuos einfängt, der die Kraft der Freundschaft auf ganz unsentimentale Weise besingt und der die Musik nicht nur dadurch feiert, dass er sie zum roten Faden der Geschichte macht. Durch seinen an Grunge, Metal und Punk geschulten Sinn für Rhythmus und Dramaturgie hat Jānis Joņevs, von Bettina Bergmann zuverlässig ins Deutsche übertragen, seinen ganz eigenen Prosa-Sound entwickelt.

Natürlich ist dies ein Roman, der zur Identifikation einlädt und sich vornehmlich an 15- oder 17-jährige Leser und ja, auch an Leserinnen richtet. Doch lässt sich Jelgava 94 auch im fortgeschrittenen Alter gut nachvollziehen, so man sich an seine Jugend noch erinnern mag. Zudem endet der Roman mit einem überraschenden Zeitsprung in eben dieses fortgeschrittene Alter des Protagonisten, verbunden mit der ewigen Frage, ob nicht Erwachsenwerden immer Verrat an der Jugend bedeutet.

Aber wie dem auch sei: Metalheads, diesen Beweis führt der Roman mit jedem Satz, so besoffen und langhaarig sie auch sein mögen, sind offenbar die sanftesten und freundlichsten Menschen unter der zumindest in Jelgawa freilich nur selten scheinenden Sonne,“ schreibt Tobias Lehmkuhl in einer wunderbaren Besprechung des Romans von Jānis Joņevs im DLF Büchermarkt. In ganzer Länge kann man den Beitrag hier nachhören und -lesen.

Sarah Claire Wray: sieben utopische dinge

Als letztes Buch des Jahres erscheint nun in der Reihe Die nummernlosen Bücher der Band sieben utopische dinge mit Gedichten von Sarah Claire Wray und Bildern von Raisa Galofre Cortés. Zwischen Text und Bild spielt die Stadt eine zentrale Rolle. Ihre Texturen, die sich im alltäglichen Leben entrollen. Der Asphalt als Projektionsfläche. Die Anonymität als Rückzugsort. Zufällige und gewollt gesuchte Reibungen. Und zwischen den Materialitäten eine Ahnung von Jugend, Sommer und Leichtigkeit.

die
kalt golden
verchromte haut
zerplatzt an der unvorsichtigkeit
des alltags.

Sarah Claire Wray: sieben utopische dinge. Gedichte mit Bildern von Raisa Galofre Cortés, 50 Seiten, Preis: 10,- € – ab sofort lieferbar

Sarah Claire Wray, geb. in Köln, ist Autorin und Regisseurin. Ihre Videoarbeiten, sowie Theaterstücke wurden u.a. im Haus der Kulturen der Welt, im Haus der Berliner Festspiele, im Seoul Institute of the Arts und beim Black Reels Film Festival gezeigt. Sie veröffentlichte Lyrik, Kurzprosa und Essays im WETTER Magazin, im A-Z Deutschlandmagazin und bei Defrag Zine. Seit 2016 lebt sie in Berlin.

Raisa Galofre Cortés, geboren 1986 in Barranquilla, ist eine kolumbianisch-karibische Künstlerin, Fotografin und Researcherin. Sie schloss ihr Studium in Fotografie an der Burg Giebichenstein Kunst- hochschule Halle ab. Seit 2017 ist Raisa Mitglied des unabhängigen Kunstraumes SAVVY Contemporary in Berlin. Ihre fotografischen Arbeiten werden in internationalen Ausstellungen und Publikationen veröffentlicht. Sie sind von den erzählerischen Merkmalen des magischen Realismus sowie von dessen hybridem und kreolischem Charakter inspiriert.


Den Tag zu langen Drähten, 2. Auflage

In 2. Auflage erscheint nun Den Tag zu langen Drähten von Adrian Kasnitz. Der Gedichtband, der 2009 das erste Mal erschien und sich mit Kindheit und Jugend in Westfalen auseinandersetzt, ist durchgesehen und an wenigen Stellen leicht bearbeitet. Auch das Cover ist rundum renoviert.

„Adrian Kasnitz gelingt auf schlichte, magische weise, worum sich andere aufgeregt bemühen. er hat sich in westfalen umgesehen und es überall ähnlich gefunden“, schreibt der Dichter Crauss zu dem Buch.

Adrian Kasnitz: Den Tag zu langen Drähten. Gedichte, 40 S., Preis: 9,- €

Kasnitz_Draht_Cover