Mürigkeit & Motörhead

In der Süddeutschen Zeitung bespricht Antje Weber die beiden Gedichtbände Dioden, wie es Nacht (vierhändig) von Nora Zapf und motörhead klopstöck von Gerald Fiebig und schreibt: ‚“Dioden, wie es Nacht (vierhändig)“, steht auf dem Band … So kompliziert das auch klingt – Nora Zapf liebt solche gewagten Konstruktionen -, kann man ihre Absichten doch zumindest erahnen: Dioden werden zur Gleichrichtung, zur Umwandlung von Wechselspannung in Gleichspannung eingesetzt. Nimmt man die Nacht als Grundthema dazu und denkt sich den Lyrikband als eine Art vierhändige Etüde, dann könnte man zum Schluss kommen: Hier versucht jemand, von wechselnden Anspannungen zu einem entspannten Gleichmaß zu finden. Dem lyrischen Ich, von Schlaflosigkeit gequält, fällt das nicht leicht. In mehreren, formal unterschiedlichen Langgedichten gleiten die Leser mit der Autorin durch wechselnde Nachtphasen und auch mal Fieberträume. Das schlägt sich in entsprechend unruhigen Texten mit unterschiedlichen Schriftgrößen, Fettungen und Sprachen-Einsprengseln nieder, durchzuckt von immer neuen Assoziationen zwischen „Mürigkeit“ und „Umwachtung“. Wer in seinem Leben solche Zustände kennt, wird die geradezu elegisch zusammengehaltenen Gedankensplitter mit anderer, sozusagen somnambul verschwommener Wahrnehmung lesen. Und wer kleine Kinder hat – ein Baby taucht immer wieder mal im Text auf -, weiß sicherlich auch, wovon die Autorin schreibt.“ Und weiter: „Der Gedichtband motörhead klopstöck des Augsburger Autors und Musikers … zeigt auf köstliche Weise, wie man verspielt mit der Tradition umgehen kann. Das Titelgedicht ‚Odenströphen (Motörhead Klopstöck)‘ bringt schon im Titel in schön alberner Assonanz eine Rockband und den Dichter Klopstock zusammen. Mit den ersten Wörtern ‚,palim palim’psest‘ macht Fiebig dann endgültig klar, dass er Populärkultur mit Bildungswissen zu verschmelzen gedenkt. Wenn dieser Dichter mit Altem und Neuem, mit Gegensätzen und Gleichklängen spielt, ist das immer wieder lustig (‚VODAFONE nichts übrig bleibt‘). Und so drückt man auch bei etwas schmerzhafter Genderkritik ‚die äugin‘ zu. Es ist ja nicht das Einzige, was dieser und andere Lyriker und Lyrikerinnen als ‚NOISE UNTER DER SONNE‘ bieten.

Motörhead & Sid

In der aktuellen Ausgabe des Bremer Punk-Magazins Trust (August/September 2021) sind gleich zwei unserer Bücher besprochen: motörhead klopstöck von Gerald Fiebig und Sid Wischi Waschi von Veronique Homann. Beide Bücher hat die Rezensentin (judith) gelesen. Fiebigs Texte erinnern sie an eine Textcollage. „Feinsinnig spürt der Autor der deutschen Vergangenheit nach. Trägt an Orten historische Schichten ab und entdeckt dort und im Hier und Jetzt, wie sich Geschichte verdichtet hat, wie sie sich begreifen lässt … Das gelingt ihm tatsächlich ziemlich gut.“ Homanns Gedichte sind dagegen „kurz aber eindrucksvoll. Oft lassen sie mehr aus … und genau das schafft eine ganz spannende Erfahrung beim Lesen“. Nicht nur Sid Wischi Waschi als „weichgespülte Version des Punk“ interessiert, sondern auch die Frage, was Kunst sei, die Homann auf „sehr dadaeske Weise“ beantworte. Auch unsere Empfehlung ist es, beide Bücher zusammen zu bestellen.

Klopstock mit ö

„Mit Witz und intellektueller Verve schöpft er aus der Wirklichkeit und findet die guten Kalauer“, schreibt Tom Schulz über Gerald Fiebig und seinen neuen Gedichtband motörhead klopstöck (in einer Doppelbesprechung mit Marcel Beyer) im Luxemburger Tageblatt. Und weiter: „Die Gedichte haben mitunter einen Flow, der seinesgleichen sucht. Fiebig tanzt in seinen Texten zur besten Musik, so wie einst die Band Fehlfarben sang … Für den Band Motörhead Klopstöck, …, sollte man ihm die Goldene Schallplatte verleihen.“

Gerald Fiebig: motörhead klopstöck

Wie im Titel der Name einer Rockband und der eines Dichters, so werden auch im neuen Gedichtband motörhead klopstöck von Gerald Fiebig diverse thematische und formale Stränge zusammengeführt. Thematisch gilt dies etwa für die intensive Auseinandersetzung mit Massenmedien und Popkultur, aber auch die an konkreten Orten festgemachte Suche nach Spuren von Faschismus, Krieg und Kolonialismus. Wie in früheren Bänden begegnet uns Fiebig als melancholischer bis wütender Beobachter entfremdeten Alltags. Von einer gänzlich unbekannten Seite zeigt sich der Autor hingegen in den Liebesgedichten. Eine eigene Abteilung des Buches ist der sprachspielerischen Dekonstruktion von sprachlichen Geschlechter-Stereotypen gewidmet.

In formaler Hinsicht ist motörhead klopstöck wohl Fiebigs variantenreichstes Buch. Das im Titel angekündigte Niederreißen von Pop- und „Hochkultur“-Grenzzäunen ist Programm. Von Odenstrophe und Sonett über chiffrenhafte Lakonik und dadaeske Collagetexte bis zu binnenreimgetriebenen Spoken-Word-Gedichten bringt Fiebig hier ein breites Spektrum an lyrischen Formen zum Einsatz.

Die Release-Lesung findet am 25. Juni im Parasiten TV statt, live gestreamt ab 20.30h unter http://www.facebook.com/parasitenpresse.

Gerald Fiebig: motörhead klopstöck. Gedichte, 52 Seiten, Preis: 10,- € – ist ab sofort lieferbar

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Gerald Fiebig (geb. 1973) wohnt in Augsburg. Er ist Lyriker, Audiokünstler sowie Mitglied der Band Jesus Jackson und die grenzlandreiter und des Duos KLONK (zusammen mit Tine Klink). Zuletzt erschienen von ihm der Gedichtband nach dem nachkrieg (parasitenpresse 2017) und die CD Gasworks (Gruenrekorder 2019). www.geraldfiebig.net

Release-Tour: motörhead klopstöck

Ende Juni erscheint motörhead klopstöck, der neue Gedichtband des Augsburger Schriftstellers Gerald Fiebig. Bis zum Erscheinungstermin gibt es vom 21. Mai bis 25. Juni 2020 immer donnerstags um 19 Uhr im Literaturkanal Augsburg eine Online-Lesung von Fiebig, erst aus älteren Büchern, dann aus motörhead klopstöck. Alle Termine en détail sind hier zu finden. Den Band, der 10,- € kosten wird, kann man jetzt schon vorbestellen. Wer den Vorgänger-Band nach dem nachkrieg noch nicht kennt, dem empfehlen wir das Gerald-Fiebig-Bücherpaket. Wer jetzt bestellt, bekommt nach dem nachkrieg zuerst geliefert, motörhead klopstöck folgt dann Ende Juni (Preis 15,- €).

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Zerebraler Kontaktaufbau

„Fiebigs Lyrik ist lyrisch und kantig zugleich“, schreibt Martin Schmidt über nach dem nachkrieg in a3kultur, dem Feuilleton für Augsburg, „die Gedichte sind ein emotionaler und zerebraler Kontaktaufbau mit einem Steingebäude, das vor Historie flirrt. Fiebigs Worte sind eine Deutschstunde im doppelten Sinne: Geschichte, Gedichte, (alte und neue) Gewichte.“

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