Ein schmerzlich aktuelles Buch

„Mit Jelena Jeremejewas Seit September will ich nach Kiew. Ukraine-Tagebuch ist in der parasitenpresse ein schmerzlich aktuelles Buch erschienen, das man lesen sollte. Es sind Tagebucheinträge, beginnend mit dem 16.2., dem Tag an welchem die bereits seit vielen Jahren in Deutschland lebende Ich-Erzählerin zu einem Heimatbesuch in Kiew eintrifft, bis hin zum letzten Eintrag vom 1.5., der mit den Worten ‚Ich habe Angst vorm 9. Mai.‘ endet. Es tut weh, dieses Buch zu lesen, aber gerade deswegen ist es wichtig, es zu lesen. Im vollen Flieger nach Kiew herrscht am 16.2. zwar bereits bedrückte Stimmung, doch die anwesenden deutschen Journalisten haben ’noch zu lachen‘. Erzählt wird von den ersten Einträgen beispielsweise von einem Frisörbesuch und vom gemeinsamen Kochen ukrainischer Spezialitäten mit dem Vater. Unter der Oberfläche ist der drohende Krieg jedoch bereits präsent, auch wenn er von den Anwesenden noch ausgeblendet wird: ‚Es gelingt und ist köstlich!'“, schreibt Astrid Nischkauer in einer Besprechung des Buches in der Zwischenwelt. Zeitschrift für Kultur des Exils und Widerstands der Theodor-Kramer-Gesellschaft (Wien).

Und weiter: „Es ist beeindruckend, wie differenziert Jelena Jeremejewa so knapp nach den Geschehnissen, die immer noch andauern, über den Krieg schreiben kann, über das, was ihr und anderen widerfahren ist und widerfährt. Bemerkenswert auch das große Verständnis, das die Erzählerin ihren Mitmenschen entgegenbringt – selbst ihrer in Russland lebenden und der dortigen Kriegspropaganda Glauben schenkenden ehemaligen Schulfreundin. Als Ganzes lässt sich der Band als Versuch lesen, nicht direkt vom Krieg Betroffenen verständlich zu machen, was in aus der Ukraine Geflüchteten vorgeht, was sie durchgemacht haben und dass sie vor allem ganz einfach Menschen sind.“

Was es bedeuten soll. Neue hebräische Dichtung in Deutschland

Dass die jüdische und hebräische Kultur heute in Deutschland und Europa wieder pulsiert, ist ein Wunder. Ein Wunder, um das man sich kümmern muss. Tatsächlich schließt sich heute der Kreis und die modernhebräische Literatur kehrt dorthin zurück, wo sie gegen Mitte des 19. Jahrhunderts begann. Vornehmlich in osteuropäischen Metropolen wie Kaunas, Warschau oder Odessa, aber auch im Westen, etwa in Paris und London wirkten damals die ersten modernhebräischen Schriftsteller, bevor sich diese Zentren mit der Staatsgründung nach Tel Aviv und Jerusalem verschoben. Aktuell liegt eines ihrer Hauptzentren wieder in Berlin; Hebräisch versteht sich hier als diasporische und kosmopolitische Sprache, eingewoben in ein transnationales, ja weltumspannendes literarisches Netz. Die hier versammelten Gedichte wurden allesamt in Deutschland verfasst und bisher nicht ins Deutsche übersetzt; bei den meisten handelt es sich auch im Original um bisher unveröffentlichte Texte.

Die von Gundula Schiffer und Adrian Kasnitz aus dem Hebräischen übersetzte und herausgegebene Anthologie versammelt Texte von Ronen Altman Kaydar, Yael Dean Ben-Ivri, Tomer Dotan-Dreyfus, Asaf Dvori, Yemima Hadad, Zahava Khalfa, Admiel Kosman, Maya Kuperman, Tali Okavi, Loulou Omer, Gundula Schiffer, Mati Shemoelof und Michal Zamir. Die Cover-Zeichnung stammt übrigens von der israelischen, in Köln lebenden Zeichnerin Noam Weiner.

Das Buch wird am 11. Februar 2020 im Literaturklub Köln und am 14. Februar in der Lettrétage Berlin vorgestellt.

Was es bedeuten soll. Neue hebräische Dichtung in Deutschland, herausgegeben und aus dem Hebräischen übersetzt von Gundula Schiffer und Adrian Kasnitz, 136 Seiten, Preis: 15,- € – ist ab sofort lieferbar.  

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Johanna Dombois: Rettungswesen

„… aber ein paar Tage später fuhren alle gemeinsam ans Meer. Dort spülten sie die weiße Wäsche des Täuflings … Die Leibchen, jetzt salzig und deshalb noch lange feucht, zogen sie dem Kind wieder über. Das Meer wurde zur zweiten Haut derer, die es zuvor überquert hatten, um ihre erste zu retten.“ In den Texten der Kölner Schriftstellerin Johanna Dombois geht es um Textilien, um Flüchtende, das Mittelmeer, Griechenland und Deutschland. Lesbos, Piräus, Athen und die documenta sind ihre Stationen, der ehemalige Berliner Flughafen Tempelhof und der Köln-Bonner Flughafen. Orten, an denen Wege sich kreuzen, an denen Menschen sich begegnen, spürt sie nach. Ihre Textstücke vernäht sie zu einem textilen Kleid, in das man als Leser*in hineinschlüpfen kann.

Johanna Dombois: Rettungswesen. Prosa, 74 Seiten, Preis: 12,- € (paradosis, Bd. 12) – ab sofort lieferbar

Cover Dombois

Johanna Dombois (*1967, Berlin), lebt und arbeitet als Autorin in Köln, wechselweise in Griechenland; Dozentin für Künstlerisch-Wissenschaftliches Schreiben an der RSH Düsseldorf. Studium der Literatur-, Theaterwissenschaften und Kostümkunde in Berlin, Cambridge, Wien und Uppsala, Promotion über Richard Wagner, als Dramaturgin international an Opernhäusern und Medienkunstbühnen tätig. 2012 erschien bei Klett-Cotta Richard Wagner und seine Medien (zs. mit R. Klein), Nominierung zum
Buch des Jahres. Seither Fokus auf literarische Reportagen, erzählte und performative Essays, Biografiktion sowie Kurzepik.

parasitenfilm

Walter Fabian Schmid hat einen Film über uns gedreht. Gespräche mit den Autor*innen Kathrin Bach, Mario Osterland und Jan Skudlarek und dem Verleger Adrian Kasnitz sowie gespielte Szenen von Kathrin Bach, Walter Fabian Schmid und Fabian Thomas zeigen wichtige Stationen des Verlages von der Geburt der Idee aus der Absage heraus bis heute. Filmidee und Realistation: Walter Fabian Schmid (Schweiz/Deutschland 2017).

Über verschwundene O.s

In einer ausführlichen Auseinandersetzung mit den Gedichten aus Christoph Georg Rohrbachs O. geht Armin Steigenberger den geographischen und geschichtlichen Spuren in deutsch-polnisch-tschechische Gefilde nach und verknüpt seine Überlegungen mit Hölderlin. „Wo Hölderlin sein Lied an die heilige Unschuld intoniert, das Gute und Reine huldigt und mit dem Himmlischen allein sein möchte, kreisen Rohrbachs Texte um Verlust, Zerstörung, Auslöschung, Entweihung“, schreibt Steigenberger. Erschienen ist der Beitrag im Signaturen-Magazin.

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