Krematorien

Über Krzysztof Siwczyk und seine Krematoria-Trilogie schreibt Alice-Catherine Carls (University of Tennessee at Martin) in World Literature Today: „Krzysztof Siwczyk is known for his philosophical poetry that yields long lines reasoning out the malaise of adulting, the problematics of identity in a world of gray indifference.“ Und weiter: „In Krematoria III, the self-perpetuating, somewhat logorrheic language of reflection has evolved, freeing the verses from thought encumbrances; the sparse, permanent black signs on the white page invite the watermarks of connection. The central signifier is the word Crematoria, spelled with an ominous capital letter. It inflects unstable realities and uncertain destinies that ‚Burn without a big halo / Like us / They only hiss and spit fire / Although the world long ago / Stopped caring about them‘ (…). The characters’ melancholy and aimlessness appear to be caused by the grief of Poland’s national traumas of World War II, the Holocaust, Soviet occupation, and the end of the Cold War. With the lesser wounds more difficult to define, the Holocaust serves as a gauge of terrible clarity: ‚War / Holocaust / Reduction to a stick / Secam / Soap / Faint‘.“ Gedichte aus Krematoria I & II sind Teil von Auf nächtlicher Reise.

 

Daniel Ketteler: Wartezimmer

Mit dem Gedichtband Wartezimmer von Daniel Ketteler beschließen wir das literarische Jahr 2022, begeben uns in den Warteraum, erwarten Neues. Berlin, Kottbusser Tor, kurz vor Tore Schluss: Was denkt der düstere Mann mit Spiegelsonnenbrille und Gummirose am Revers? Wieso schaut die Oma unter ihrem Kopftuch so traurig? Es sind die Galas und Geschichten, ein letzter Blick in den SPIEGEL. Der Nächste bitte. Diese Gedichte stehen unter Schweigepflicht, schnell wird zwischen den Patienten aufnotiert, in Biografien gereist, danach online gezappt, weggeträumt – es klopft. Akten sind getürmt. Weiter geht es im Seitensprung, das Kettelersche lyrische Wartezimmer raucht wie ein gut abgehangener, international-westfälischer Schinken.

Die Buchpremiere findet am 15. Januar 2023 in der Lettrétage Berlin statt.

Daniel Ketteler: Wartezimmer. Gedichte, 74 Seiten, Preis: 12,- € – ab sofort lieferbar

Daniel Ketteler, geboren 1978 in Warendorf, Arzt in Berlin, zuletzt u.a. am Kottbusser Tor und aktuell im Gesundheitszentrum für Flüchtlinge. Zusammen mit Christoph Wenzel Herausgeber der Literaturzeitschrift [SIC]. Zuletzt die Romane: Grauzone, Verlagshaus Berlin, 2012, sowie: novopoint grün, Launenweber, 2018. In der parasitenpresse erschien 2007 das Lyrikheft Das Knacken in der Rille.

Valeria Correa Fiz: Zur Unzeit Winter

Unsere Reihe mit Literatur aus Südamerika und der spanischsprachigen Welt setzen wir fort mit dem Gedichtband Zur Unzeit Winter von Valeria Correa Fiz. Von Beziehungen handelt dieses Buch, von lebendigen, brüchigen, gestörten Beziehungen, von der Unmöglichkeit in Beziehung zu, auf jemanden (oder etwas) zu leben und es doch zu versuchen. „Ich weiß: ich hab dich in der Lobby gelassen mit diesen Leuten und bin gegangen / auf der Suche nach einer gewissen stillen Begierde.“ Nicht nur das erotische Beziehungsgeflecht schimmert hier sondern auch das Band, das uns mit Vätern, Müttern, Schwestern, mit Familie verbindet. Aber immer bleibt es verwirrend, immer ist es mehrdeutig, fleischlich wie in einem Bild von Egon Schiele, wo dem Lebendigen immer der Zerfall droht. Aber auch die sozialen und ökonomischen Faktoren von Abstand und Bindung kommen zur Sprache. 

Die Gedichte der argentinischen, in Madrid lebenden Dichterin Valeria Correa Fiz hat Nora Zapf ins Deutsche gebracht. Das Cover-Foto stammt übrigens vom griechischen Dichter Kiriakos Sifiltzoglou

Valeria Correa Fiz: Zur Unzeit Winter. Gedichte aus dem Spanischen von Nora Zapf, 58 Seiten, Preis: 12,- € – ab sofort lieferbar

Valeria Correa Fiz ist eine Schriftstellerin aus Rosario, Argentinien, die in Madrid lebt. Sie ist Autorin der Kurzgeschichtenbände La condición animal und Hubo un jardín, die auf der Shortlist des Premio Hispanoamericano de Cuento Gabriel García Márquez standen und im Finale des Premio Setenil (2017) waren. Außerdem veröffentlichte sie die Gedichtbände El álbum oscuro, El invierno a deshoras, Museo de pérdidas und Así el deseo. Ihr poetisches Werk wurde in Spanien mit dem Premio Internacional de Poesía Manuel del Cabral, dem Premio Internacional de Poesía Claudio Rodríguez und dem Premio de Poesía Clara de Campoamor ausgezeichnet. Einige ihrer Kurzgeschichten und Gedichte wurden in Anthologien aufgenommen und ins Englische, Italienische, Hebräische und Rumänische übersetzt. Seit über zehn Jahren koordiniert sie den Leseclub des Instituto Cervantes in Mailand, wo sie auch Workshops für kreatives Schreiben gibt.

Nora Zapf ist Lyrikerin, Übersetzerin und Lateinamerikanistin. Derzeit Habilitation über die Unterwelten in der lateinamerikanischen Prosa. Letzte Übersetzung: Sor Juana Inés de la Cruz: Erster Traum. Erscheint 2023 bei Turia + Kant in Wien. Lebt in Innsbruck und München. Bände: rost und kaffeesatz, parasitenpresse 2018. homogloben, gutleut 2018. Dioden, wie es Nacht (vierhändig), parasitenpresse 2021. Übersetzungen von ihr sind auch in Translator’s Choice. Übersetzen als poetische Utopie (2021) zu finden.

Dem Neon entgegen

Ein kleines Portrait des Open-Mike-Gewinners Alexander Rudolfi (von Bert Strebe) ist in der Hannoverschen Allgemeinen erschienen. „Praktisch zeitgleich ist sein erstes Buch (…) erschienen: hyperlinklabyrinthe heißt es. (…) Besondere Texte erfordern vielleicht besondere Schreibweisen: Experimentelle Prosa und Lyrik nennt sich, was Rudolfi verfasst, und ob das, was man gerade liest, ein Gedicht oder eine Geschichte ist, ist auch nicht immer festgelegt. / Aufbruch also. Raus aus dem Vertrauten. Risiko. Grenzen überschreiten, bei denen sich ‚unsere schritte von hier entfernen, wo alles sicher war, dem neon entgegen.'“ Der ganze Text ist in der Printausgabe der HAZ vom 8.12. erschienen oder hier hinter einer Paywall versteckt.

Alexander Rudolfi gewinnt beim Open Mike

Der Hannoveraner Schriftsteller Alexander Rudolfi gewinnt mit arber werden, einem Auszug aus seinem Debütband hyperlinklabyrinthe, einen der Preise beim 30. Open-Mike-Wettbewerb des Hauses für Poesie in Berlin. Einen Eindruck vom Wettbewerb vermittelt das Gespräch mit der Leiterin des Hauses, Katharina Schultens, das der rbb gestern früh sendete.

Wer sich fragt, wie das sein kann, dass das Buch schon einen Tag nach dem Wettbewerb erscheint: Offen gesagt, wegen der Einladung zum Wettbewerb mussten wir den Veröffentlichungstermin verschieben.

Alexander Rudolfi: hyperlinklabyrinthe

Wir haben die Auflösung der Grenze erlebt, die eine physische war und jetzt eine geistige ist. Im konstanten Wir geschrieben, beginnt hyperlinklabyrinthe unter einem Baum liegend, und folgt von hier aus dem weißen Fell der Felder und dem Wind den Wir Bohème nennen zum Neonleuchten der Stadt. Weg von einer undeutlich empfundenen Bedrohung, irren wir zwischen den Szenecafés, Glasfasernetzen und Scootern umher, in denen wir uns und Teile von uns wiedererkennen, wie eine Sprache. Berauschend und an der Grenze von Gedicht und Erzählung führt Alexander Rudolfi in den Kaninchenbau der Frage danach, was Ich-sagen bedeutet, wenn mit der postmodernen Philosophie seit Deleuze die Kategorien zerfließen – und schafft damit Orientierung, ohne dogmatische Antworten zu geben.

Alexander Rudolfi: hyperlinklabyrinthe, 110 Seiten, Preis: 14,- € (paradosis Bd. 19) – erscheint am 21. November 2022 und ist ab dann lieferbar

Alexander Rudolfi, wurde 1987 in Freyung im Bayerischen Wald geboren, Kindheit und Jugend verbrachte er im Grenzgebiet Deutschland, Tschechien, Österreich. Nach Fachabitur im naturwissenschaftlichen Zweig, folgten das Studium Soziale Arbeit in München, verschiedene Erfahrungen im Psychiatriebereich, mehrere Umzüge und das Studium Literarisches Schreiben und Philosophie in Hildesheim und Sassari auf Sardinien.

Er verfasst experimentelle Prosa, Lyrik und Essays, die in Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht und durch das Arbeitsstipendium des Landes Niedersachsen gefördert wurden. Er ist außerdem Preisträger der Hannoverschen Autor:innenkonferenz und lebt aktuell in Hannover und Altreichenau. Beim Open-Mike-Wettbewerb des Hauses für Poesie (2022) erhielt er einen der Preise. hyperlinklabyrinthe ist seine erste eigenständige Publikation.