Vorne vor dem Norma ist das Rondell, das berühmte Rondell. Da kommen wir alle zusammen.
Manche schauen uns so herablassend an. Die Leute gehen vorbei und schauen so von oben. Schauen uns an wie Dreck.
Ich sag immer: Zieh meine Schuhe an, die ich damals getragen hab, geh den Weg, den ich gegangen bin, tritt dahin, wo ich hingeschissen habe, friss die Scheiße, wo ich reingetreten bin, komm den Weg wieder zurück, zieh die Schuhe aus, dann kannst du mir das Wasser reichen.
Komm zum Rondell und hör dir meine Geschichte an, danach kannst du reden. Wir haben viele Geschichten. Traurige Geschichten. Und am Rondell kommen die alle zusammen.
Im Rahmen meines Veedelsschreiber-Stipendiums in Köln-Kalk führte ich am Breuerpark ein Gespräch mit einer Gruppe von ehemaligen Obdachlosen. Ihnen verdanke ich die Idee zum vorliegenden Buch. Es beruht auf Interviews mit gesellschaftlich marginalisierten Menschen, die Obdachlosigkeit oder Drogensucht erfahren haben. Die Interviews wurden von Emina Faljić und Thomas Dahl in Köln-Kalk geführt, unterstützt durch Sprachmittler:innen und Vertrauenspersonen. Anschließend habe ich die Texte literarisch überformt; sie geben die geführten Interviews also nicht wortgetreu wieder. Die meisten Namen wurden zur Wahrung der Anonymität verändert. Der Vorstellung der Ideengeber:innen folgend, wurden die Texte in einer Komposition angeordnet, die der Rondellform nachempfunden ist: Die Texte »umkreisen« einerseits den gemeinsamen Treffpunkt in Köln, andererseits schließen die einzelnen Berichte motivisch aneinander an, bis sich der Kreis zuletzt schließt. In bisweilen poetisch deformierter Sprache spricht aus den Erzählungen dieser Menschen großes Leid – aber auch Mut, Güte, Offenheit, Menschlichkeit, Lebensfreude. Und nicht zuletzt: Phantasie. (Aus dem Vorwort von Alexander Estis.)
Das Rondell. Geschichten von Menschen auf Kölner Straßen, nacherzählt von Alexander Estis unter Mitwirklung von Emina Faljić und Thomas Dahl, mit Fotos von Fadi Elias, herausgegeben von Integrationshaus e.V., 60 S., Preis: 12,- € – ab sofort lieferbar

Alexander Estis wurde 1986 in einer jüdischen Künstlerfamilie in Moskau geboren. 1996 siedelte er nach Hamburg über. Nach Abschluss des Studiums lehrte er deutsche Sprache und Literatur an verschiedenen Universitäten. Seit 2016 lebt er als freier Autor in der Schweiz. Bisher hat Alexander Estis sechs Bücher veröffentlicht. Daneben verfasst er Kolumnen, Essays und Reportagen für FAZ, NZZ, SZ, ZEIT und andere Zeitungen. Seine Radiobeiträge sind regelmäßig auf Deutschlandfunk Kultur zu hören.
Alexander Estis ist Mitglied der Vereinigung Autorinnen und Autoren der Schweiz, des PEN Berlin und des Exil-PEN. Für seine Texte erhielt er mehrfach Auszeichnungen und Stipendien. 2021 verbrachte er als Veedelsschreiber mehrere Monate in Köln-Kalk. In der parasitenpresse erschienen von ihm bereits: Handwörterbuch der russischen Seele und Legenden aus Kalk.
lieber adrian, das rondell möchte ich bestellen. geht das so, auf diesem wege? – LG: pega
aaah – da fällt mir ein: hab eine neue adresse … schreib i dir grad rasch auf fb …